Das Wort zum Sonntag von Stephan Wahl

Gedächtnis 

Einen schönen guten Abend! 
Ich grüße Sie aus der Pfarrkirche in Auersmacher. Das liegt im Saarland, direkt an der französischen Grenze.

Hier in dieser Kirche halte ich oft Gottesdienst, feiere mit der Gemeinde die heilige Messe.
Jeden Sonntag versammeln wir Christen uns in Kirchen wie dieser, schlagen die Bibel auf, lesen aus dem Evangelium,
brechen das Brot in einer Weise, wie es Generationen vor uns getan haben.
Natürlich hat sich einiges verändert, aber das Wesentliche ist geblieben. Der Gedanke, in einer so langen Reihe zu stehen, etwas zu feiern, was meinen Großvätern und Urgroßmüttern und deren Vorfahren genau so kostbar und wichtig war, das find ich faszinierend.

"Tut dies zu meinem Gedächtnis"

So heißt es im Mittelpunkt der Messe dann, wenn Brot und Wein erhoben werden. Es erinnert an die Worte
beim letzten Abendmahl.

Als Jesus mit seinen Jüngern zusammen war, nahm er das Brot und den Wein, sprach dann den Segen.

Seit Jahrhunderten werden seine Worte immer wiederholt.
In allen Sprachen.

Nehmt und esst, nehmt und trinkt.

Das ist mein Leib.
Das ist mein Blut.

Geheimnis des Glaubens, heißt es dann.

Das ist wirklich geheimnisvoll.
Ein Schluck Wein, ein bisschen Brot. Eine kleine unscheinbare Hostie, und dann diese Bedeutung.

Ganz verstehen wird man das nie, dass Jesus auf diese Weise, in diesen Zeichen, da ist.

Als Kind hab ich schon gelernt, mit diesem Geheimnis besonders ehrfürchtig umzugehen, als Theologe habe ich Bücher gewälzt und viel Kluges darüber studiert, als Priester so oft selbst diese Worte nachgesprochen. Hier an diesem Altar oder an anderen Orten. 

"Tut dies zu meinem Gedächtnis."

Besser oder tiefer verstanden hab ich diesen Satz vor zwei Jahren.

Damals, am 1. Advent, starb plötzlich eine gute Freundin von mir. Birgit. Sie war einer von den Menschen, die einem wichtig sind wie Brot und Salz.
Wir, ihre Freunde, vor allem natürlich ihre Familie, vermissen sie bis heute. Es war ein trauriger Advent damals.

Dann, an Weihnachten, besuchte mich ihr Mann und brachte mir ein Weihnachtsgeschenk. Einen wunderschönen Leuchter. Ein Geschenk von Birgit. 
Den hatte sie schon besorgt und eingepackt. Bis zum 1. Advent wollte sie immer mit allem fertig sein.

Und er brachte eine kleine Dose. Mit selbstgebackenen Plätzchen. Die hatte sie auch schon gebacken.

Ich weiß nicht, wie viel Gebäck ich in den letzten Jahren
bei ihr gegessen habe. So nebenbei. So selbstverständlich.

Die kleine Dose öffnete ich ganz langsam. Und genauso langsam hab ich eins von den Plätzchen gegessen. Eins.

Das mag sein, dass es von außen besehen ein bisschen eigenartig klingt, aber es war für mich mehr 
als ein Stück Gebäck.

Ich sah sie in der Küche, ich sah sie beim Backen, ich erinnerte mich an Gespräche. Ich sah, ich hörte ihr Lachen.

Birgit war irgendwie wieder da. Und doch natürlich nicht.

"Tut dies zu meinem Gedächtnis."

Diesen Satz versteh ich seitdem besser, wenn ich ihn in der Messe wiederhole.

Jesus hab ich zwar nicht persönlich erlebt, jedenfalls nicht so, dass ich ihn gesehen hätte. Ich habe keine farbigen Erinnerungen.

Aber dieses Gedächtnis ist genau so lebendig. Weil es durch so viele Menschen weitergetragen wurde, und weil es mich an die Situationen erinnert, in denen ich mir ganz sicher war, dass es stimmt, was ich glaube.
Worte können das nur schwer beschreiben.

"Tut dies zu meinem Gedächtnis"

Das ist nicht nur in Erinnerung an etwas was vor Jahrhunderten geschehen ist.

Sondern immer, wenn ich mit anderen das Brot breche,
glauben wir zusammen an die Verheißung Jesu, die er uns hinterlassen hat:

"Wenn zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind,
bin ich mitten unter euch".

Und das nicht nur heute, sondern "alle Tage bis zum Ende der Welt".

Ich wünsche Ihnen und allen, die zu ihnen gehören,
diese Gewissheit und die Kraft, diesem Versprechen Jesu zu vertrauen.

Ihnen einen erholsamen Sonntag und Gottes Segen für alle Menschen, die Ihnen wichtig sind, und alle, denen Sie in der kommenden Woche begegnen werden.

Leben Sie in Frieden.